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Sonntag, 13. Mai 2012

Eine Geschichte

Lydia II
Ich fing an nach der Arbeit in das kleine Pub in der Nähe meiner neuen Bleibe zu gehen, in der Hoffnung er würde gegen Abend verschwinden, doch egal wie lang ich von meiner Wohnung fernblieb, der Vogel war immer da wenn ich kam und lachte über mich. Natürlich war mir völlig klar, dass Krähen nicht lachen können und auch, dass dieses Exemplar es nicht tat und trotzdem ertappte ich mich gelegentlich wie ich der leisen Stimme in meinem Inneren lauschte die mir erklärte, dass es doch so war.

Es war Freitag und ich beschloss mich mit einer Freundin zu treffen und die wenigen Sozialkontakte die ich noch hatte zu pflegen. Julia war die Freundin von Duncans bestem Freund und in den letzten vier Jahren hatte sich eine Freundschaft zwischen uns entwickelt. „Du musst ihn einfach vergessen Lydia. Er wird nicht wieder zurück kommen“, sagte sie als sie sich erneut eine Zigarette in den Mund steckte und anzündete. Bei diesen Worten stiegen mir die Tränen in die Augen, zum zweiten Mal an diesem Tag. Das erste Mal war es in der Bäckerei passiert als ich mir in meiner Mittagspause ein Sandwich holen wollte und vor mir ein verliebtes Pärchen stand das nicht die Finger von einander lassen konnte.
Wein doch nicht, Schätzchen“. Julia strich mir eine Haarsträhne aus dem feuchten Gesicht und lächelte mich an. „ Du wirst jemand anderen finden. Jemanden der besser zu dir passt als dieses gefühlsverkrüppelte Arschloch. Du musst ihn aus deinem Gedächtnis verbannen. Streich ihn einfach weg“. Ich nickte nur. Diese Worte hatte ich in den letzten Monaten von so vielen Menschen in so vielen Varianten gehört und ich war es leid sie einer Antwort zu würdigen. Den restlichen Abend verbrachten wir mit rauchen, viel Bier und gelegentlichem Lästern über Menschen die wir beide kaum kannten. Hauptsächlich Frauen natürlich. Als ich schließlich spät nach Hause wankte erblickte ich schon von Weitem die Krähe. Ich blieb stehen und überlegte für kurze Zeit einfach wieder um zu drehen und zu Julia zu fahren um bei ihr zu übernachten. Wut stieg in mir hoch weil mich eine so belanglose Sache aus der Bahn werfen konnte. Der Vogel begann erneut mit seinen widerlichen Lauten die für mich wie schamloses Gelächter klangen und dabei starrte er mich mit seinen kleinen schwarzen Augen an.

Ich erwachte am darauffolgenden Samstag mit einem höllischen Kater. Hämmernde Kopfschmerzen und ein unerträglicher Geschmack in meinem Mund weckten mich bereits früh. Mühsam wand ich mich aus meinem Bett und schlurfte ins Badezimmer. Ich drehte den Hahn auf und lies das Wasser ein wenig laufen. Dabei blickte ich in den Spiegel und erschrak vor dem Anblick der sich mir bot. Ich sah genauso aus wie ich mich fühlte, dachte ich. Als ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser wusch um etwas klarer im Kopf zu werden, fielen mir die Wunden an den Händen auf. Sie ähnelten kleinen Schnitten und waren ziemlich tief. „Scheiße“, fluchte ich leise und versuchte mich zu erinnern woher ich diese Verletzungen wohl haben könnte. Doch selbst das Nachdenken schmerzte und so kam ich zu dem Schluss, dass ich mich wohl an einem zerbrochenen Glas geschnitten haben musste. Später würde ich Julia anrufen um meine Vermutung zu bestätigen.Wieder stiegen Tränen in meine Augen. Seit der Trennung überkamen mich diese Weinkrämpfe ständig, egal wo und wann. Meist folgte darauf die Panik und darauf schließlich die Flucht.

...to be continued 


DiMi

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